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Blick in die Geschichte Nr. 131

vom 18. Juni 2021

Carlsruher Blickpunkte

Aus der Theaterruine gerettet

von Manfred Koch

Freunde des Botanischen Gartens werden beim Anblick der hier abgebildeten fünf Terrakotta-Medaillons denken, die kenne ich doch. Tatsächlich sind dort in einer Sandsteinmauer nahe dem ehemaligen Mühlburger Tor, durch das man in den Schlossgarten gelangt, acht ähnliche Medaillons angebracht. Wer aber die Originale der fünf betrachten will, wird nicht im Botanischen Garten, sondern in Bad Dürrheim fündig.

Die Medaillons und einige Reliefs sind die Reste des von Heinrich Hübsch geplanten und 1853 eröffneten Hoftheaters, das am 27. September 1944 durch einen Luftangriff zerstört wurde. Als 1963 die Ruine nicht - wie noch 1960 beabsichtigt - für einen neuen Theaterbau, sondern für das Bundesverfassungsgericht abgetragen wurde, konnten auf Veranlassung des Landesamts für Denkmalpflege mit Sondermitteln des Landes die erhaltenen Bauplastiken geborgen werden. Nach einem Zeitungsbericht hat dabei ein Liebhaber eines der Medaillons entwendet. Vom Denkmalamt fotografiert und verzeichnet, kamen die Kunstwerke in das Magazin des Landesmuseums und fanden zur Bundesgartenschau 1967 in und bei der im Wintergarten des Botanischen Gartens eingerichteten Badischen Weinstube eine neue Verwendung.

Die Kunst am Bau im Hoftheater beschreibt Arthur Valdenaire in seinem Werk "Die Kunstdenkmäler der Stadt Karlsruhe" detailliert. Zum plastischen Schmuck des Hauses gehörten demnach neben 20 lebensgroßen Figurenreliefs etwa im Giebel der Loggia, auch gut 100 aus rötlich gelbem Ton gebrannte Medaillons, im Farbton ähnlich dem der für den Bau verwendeten Backsteine. 64 hatten einen Durchmesser von gut 46 Zentimetern, der Rest maß 33 Zentimeter. Keiner der auf den Medaillons modellierten Männer- und Frauenköpfe, die Gestalten aus Dramen und Opern nachempfunden sind, gleicht dem anderen. Für 20, die an der Außenfassade angebracht waren, nennt Valdenaire die Vorbilder, darunter Fidelio, Iphigenie, Faust, Papageno, Königin der Nacht, Maria Stuart und Tell.

Schöpfer all dieser Bauplastiken war Franz Xaver Reich (1815-1881), den Heinrich Hübsch sehr oft mit den Plastiken für seine Bauten beauftragte. So schmücken sämtliche Gebäude rings um den Botanischen Garten Arbeiten von Reich, der in Karlsruhe auch die Engelsfigur des Denkmals für die Opfer des Theaterbrandes von 1847 schuf. Reich, der seit 1844 mit seiner Familie in Karlsruhe lebte, kehrte 1848 in seinen Geburtsort Hüfingen wenige Kilometer südlich von Donaueschingen zurück. In seiner dort eingerichteten Produktion für Terrakotten brannte er 1851/52 die Medaillons für das Hoftheater.

Terrakotta-Medaillon des 1944 zerstörten Hoftheaters
Terrakotta-Medaillon des 1944 zerstörten Hoftheaters
Terrakotta-Medaillon des 1944 zerstörten Hoftheaters
Terrakotta-Medaillon des 1944 zerstörten Hoftheaters
Terrakotta-Medaillon des 1944 zerstörten Hoftheaters

In die Heimatregion Reichs auf die Baar kehrten 1968 fünf Medaillons zurück. Aber nicht nach Hüfingen, sondern wenige Kilometer nördlich von Donaueschingen nach Bad Dürrheim. Denn dort lebten einst die Großeltern und von dort stammte der Vater der Künstlerfamilie Reich. Wie es zur "Rückführung" nach Bad Dürrheim kam, darüber sind in den Archiven beider Städte keine Akten überliefert. In Bad Dürrheim weiß man, dass die Initiative dazu vom dortigen Bürgermeister ausging. Laut einem Bericht in den Badischen Neuesten Nachrichten handelte es sich um eine Schenkung der Stadt Karlsruhe.1968 bis 2010 zierten die fünf Medaillons, in Betonsäulen gegossen nebst einer bronzenen Hinweistafel zu ihrer Herkunft, den Kurpark nahe der Konzertmuschel. Danach wurden sie dem Heimatmuseum zur Verfügung gestellt. Nach mühsamer Herauslösung aus dem Beton und Reparaturen auch von Witterungsschäden, fanden die fünf einst im Karlsruher Hoftheater angebrachten Terrakotta-Medaillons 2018 einen Ehrenplatz im Heimatmuseum in Bad Dürrheim.

Dr. Manfred Koch, Herausgeber/Redaktion "Blick in die Geschichte"

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