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BNN vom 2. Januar 2021

Pressebericht über das Stadtmuseum

104 Nationen leben im Stadtteil Oberreut zusammen

Das Stadtmuseum Karlsruhe arbeitet an einem neuen Profil / Voraussetzung die Sanierung der Räume

Von unserer Mitarbeiterin Carmela Thiele

Wer mehr über die Karlsruher Stadtgeschichte erfahren möchte, muss sich derzeit mit Büchern oder Informationen aus dem Internet begnügen. Die Dauerausstellung des Stadtmuseums Karlsruhe im Prinz-Max-Palais ist seit 2019 abgebaut, weil sie "inhaltlich und gestalterisch nicht mehr den aktuellen Standards" entsprach, wie es auf der Website der Stadt Karlsruhe heißt. Ferdinand Leikam, seit 2020 Leiter des Stadtmuseums, sammelt bereits für die Neupräsentation. Vielleicht werden dort auch die im vergangenen Jahr erworbenen Corona-Objekte wie Mund-Nasen-Schutz-Masken gezeigt. Für ihn gilt: "Wir sehen Zeitgeschichte und Gegenwart als künftige Geschichte."

"Wir sehen Zeitgeschichte und Gegenwart als künftige Geschichte." - Felix Leikam, Leiter des Stadtmuseums

Doch muss sich der neue Museumsleiter noch in Geduld üben. Denn was fehlt, um konkret über eine neue, mehrstimmige Erzählung der Stadtgeschichte Karlsruhes nachzudenken, ist die Sanierung des Prinz-Max-Palais. Das durch Fliegerbomben im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern niedergebrannte Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert sei nach 1945 eilig mit billigen Materialien wiederaufgebaut worden, sagt der 42-Jährige. An manchen Stellen der aktuellen Wechselausstellung ist der Boden für Stichproben aufgestemmt, die Aufschluss darüber geben sollen, was sich darunter verbirgt.

Seit Jahrzehnten müssen sich das Stadtmuseum, wie auch das Literaturmuseum im zweiten Obergeschoss, mit einem Bodenbelag aus Kunststoff abfinden, durch den sich die Sisal-Auslegeware der Achtzigerjahre durchdrückt. Darunter ist eine dünne Linoleumschicht zu erkennen, wahrscheinlich ein Relikt aus jener Zeit, als die Mitarbeiter des Bundesverfassungsgerichts von 1951 bis 1969 dort ihren Dienst taten. Unter den Bodenbelägen kommen pulvriger Estrich und Stahlträger zum Vorschein.

Das seien Untersuchungen, die Aufschluss über die Substanz des Baus geben sollen, sagt Ferdinand Leikam. Eine erste Machbarkeitsstudie des auf Museen und Ausstellungsräume spezialisierten Stuttgarter Architekturbüros SPACE4 gebe es bereits. Die sei aber noch in vielen Punkten allgemein gehalten. Nun gehe es darum, "Pläne für die grundlegende Sanierung" festzulegen. "Diese konkrete Studie wird dann hoffentlich von der Politik positiv entschieden", erklärt Leikam. Dann erst wisse er, welche technische Infrastruktur ihm zur Verfügung stehen wird.

Ferdinand Leikam, Leiter des Stadtmuseums, sammelt bereits für die Neupräsentation; um aber konkret eine neue Erzählung der Stadtgeschichte Karlsruhes zu planen, steht noch die Sanierung des Prinz-Max-Palais aus

Bei der Gestaltung der aktuellen Wechselausstellung "Charleston und Gleichschritt – Karlsruhe in der Weimarer Republik" war nicht zu verhindern gewesen, dass an manchen Stellen die Defizite der Räumlichkeiten offen zutage treten. Leuchtkästen werden über eine einfache Steckdosenleiste mit Strom gespeist, die unter der Decke baumelt. Die Alternative sei Kabelsalat am Boden gewesen, sagt Ferdinand Leikam. Es gebe viel zu wenig Stromanschlüsse in den Räumen. Auch arbeite die Klimaanlage nur noch unzuverlässig, weshalb er empfindlichere Kunstwerke der Weimarer Republik vorerst abhängen und den Leihgebern zurückgeben musste.

Das Projekt "Charleston und Gleichschritt" deutet an, in welche Richtung das Stadtmuseum modernisiert werden soll. Farbig akzentuierte Displays zeigen Fahrräder der Firma Gritzner und Nähmaschinen der Firma Haidt & Neu. Leihgaben aus der Textilsammlung Max Berk aus dem Kurpfälzischen Museum Heidelberg geben einen lebendigen Eindruck der sich wandelnden Frauenmode hin zu mehr Bewegungsfreiheit. Vergrößerte Fotografien und Werbegrafik sind an die Wände tapeziert. Ein Medientisch verortet moderne Bauvorhaben in der Struktur der Stadt. Das Publikum sei diverser geworden, darauf müsse man reagieren, sagt Ferdinand Leikam. "Wir brauchen digitale Vermittlungsformen, die auch vertiefte Informationen und Recherchen ermöglichen", findet der promovierte Historiker, wenngleich er das Objekt weiterhin für einen unverzichtbaren Teil der Ausstellung hält.

Auch Outreach-Programme an dezentralen Orten sind angedacht. Auf seine Eröffnung wartet bereits eine Ausstellung zum Einwanderer-Stadtteil Oberreut im Ökumenischen Gemeindezentrum. In der in den Sechzigerjahren hochgezogenen Hochhaus-Siedlung im Karlsruher Südwesten leben Menschen aus 104 Nationen zusammen, sehr unterschiedliche kulturelle Prägungen und persönliche Erfahrungen treffen dort aufeinander. "Wir haben viele Ideen, was man machen kann", sagt Katrin Dort, Leiterin des Stadtarchivs und der Stadtmuseen. Aber die Ressourcen würden am Ende entscheiden, was realisiert werden könne. Und: "Die Sanierung ist zentral für alles weitere."

Anknüpfungspunkte zur Gegenwart seien früher in Stadtmuseen nicht üblich gewesen, sagt die Archivarin. Für Ferdinand Leikam ist sie nicht nur Vorgesetzte, sondern auch Kollegin, denn Stadtarchiv und Stadtmuseum arbeiten inhaltlich eng zusammen. "Die Geschichten von damals müssen zu Ende erzählt werden", sagt die leitende Archivarin und verweist auf die Online-Datenbank "Gedenkbuch für die Karlsruher Juden" des Stadtarchivs. Für Anfang April ist im Stadtmuseum Karlsruhe eine Ausstellung zum 80. Jahrestag der Deportation der Karlsruher Juden in das französische Internierungslager Gurs geplant. Im Zentrum sollen die Biografien betroffener Familien stehen.

Quelle: Badische Neueste Nachrichten | Karlsruhe | KULTUR IN KARLSRUHE | 2. Januar 2021

Stichwort

Stadtmuseum Karlsruhe

Die Sammlungen des Stadtmuseums gehen zum größten Teil auf Schenkungen Karlsruher Bürger zurück. Im Jahr 1882 rief der Stadtrat die Bevölkerung auf, Pläne, Ansichten und Beschreibungen der Stadt einem zu gründenden Stadtarchiv zur Verfügung zu stellen. Vier Jahre später waren die Stadtgeschichtlichen Sammlungen etabliert.

Ihr erstes Domizil war das Wasserwerksgebäude an der Ecke Gartenstraße/Otto-Sachs-Straße. Größere Sichtbarkeit erlangte das Stadtmuseum schließlich während der 1920er und 1930er Jahre. Damals war es im Karlsruher Schloss zu Gast.

Durch die Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg ging allerdings ein bedeutender Teil der Objekte verloren. Nach 1945 diente zunächst das Palais Solms als Standtort für die Sammlungen, seit 1960 das frühere Sparkassengebäude am Marktplatz. Seit 1981 ist das Stadtmuseum inzwischen im Prinz-Max-Palais an der Karlstraße untergebracht. -ct-

 

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