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Biographien der Schaufahrt-Opfer

Sieben bekannte badische Sozialdemokraten wurden zu Opfern der nationalsozialistischen Schaufahrt-Inszenierung. Hier finden Sie Informationen zu ihren Lebensläufen.

Die sieben Opfer der Schaufahrt bei der Ankunft im KZ Kislau – ein Propagandafoto der Nationalsozialisten

A | Hermann Stenz (1877 - 1953)

Der gelernte Dekorationsmaler Hermann Stenz war schon vor dem Ersten Weltkrieg aktiver Gewerkschafter. Nach der Revolution 1918 übte er die Funktion eines Landessekretärs der Arbeiter-, Bauern- und Volksräte in Baden aus und stand in engem Kontakt zur Badischen Vorläufigen Volksregierung.

In der Position eines Regierungsrats wirkte er während der Weimarer Republik vor allem als ‚rechte Hand' des langjährigen badischen Landesinnenministers und Regierungschefs Adam Remmele. Da Remmele den badischen Nazis als Hauptfeind galt, war auch Stenz ihnen besonders verhasst. Deshalb gehörte er am 10. März 1933 zu den allerersten politischen Gegnern, die die badischen Nazis in 'Schutzhaft' nahmen, und war - zusammen mit seinem früheren Chef Remmele - eines der letzten Schaufahrt-Opfer, die vorläufig wieder aus dem KZ Kislau 'beurlaubt' wurden. In den folgenden Jahren bestritt Stenz seinen Lebensunterhalt als Kunstmaler und Heraldiker.

Nach dem Ende der NS-Diktatur stellte auch Stenz sich umgehend in den Dienst des demokratischen Wiederaufbaus. In den Ministerialbürokratien der neu gegründeten Länder Württemberg-Baden und [Süd-]Baden nahm er schon bald wieder ähnliche Positionen wie vor 1933 in der Republik Baden ein. 1949 wurde er im Alter von 72 Jahren pensioniert. Stenz starb 1953 in Karlsruhe.

B | Adam Remmele (1877 - 1951)

Als es im Herbst 1918 galt, die Revolution in Baden in parlamentarische Bahnen zu überführen, war der gelernte Müller Adam Remmele quasi der ‚Mann der ersten Stunde'. Als Innenminister prägte er die badische Landespolitik der Weimarer Republik wie kein Zweiter. Im Zuge der im Land Baden üblichen Ämterrotation fiel ihm zudem 1922/23 und 1926/27 das Amt des Regierungschefs zu.

Die Umtriebe der badischen Nazis hat Remmele stets unerschrocken bekämpft. Die erkoren ihn deshalb zu ihrem Hauptfeind. 1931 wechselte er in die Reichspolitik. Im Sommer 1932 siedelte er schließlich mitsamt seiner Familie nach Hamburg über, um dort eine Führungsrolle im Vorstand des von ihm seinerzeit mitaufgebauten Zentralverbands der Konsumgenossenschaften zu übernehmen.

In der Nacht vom 4. auf den 5. Mai 1933 wurde Remmele auf Betreiben der badischen Nazis zusammen mit seinen Söhnen verhaftet und in die Hamburger Gestapo-Zentrale im so genannten ‚Stadthaus' am Neuen Wall gebracht. Am 13. Mai wurde er von dort nach Karlsruhe überführt. Die Schaufahrt, in deren Rahmen man ihn drei Tage später zusammen mit sechs weiteren bekannten Sozialdemokraten ins KZ Kislau überführte, war letztlich ganz auf ihn ‚zugeschnitten'.

Für ihn selbst überraschend, wurde Remmele am 9. März 1934 nach mehr als zehnmonatiger Haft aus dem KZ Kislau ‚beurlaubt'. Er kehrte nach Hamburg zurück, wo er sich fortan als selbständiger Kaufmann wirtschaftlich über Wasser hielt. 1943 wurde er ausgebombt und fast seiner gesamten Habe beraubt, im Folgejahr kamen seine Tochter und einer seiner Enkelsöhne bei einem Bombenangriff auf die Karlsruher Südstadt ums Leben. im Zuge der ‚Aktion Gewitter' wurde Remmele im August 1944 ins KZ Fuhlsbüttel verschleppt, wo er über fünf Wochen lang inhaftiert blieb.

Unmittelbar nach der Niederringung der NS-Diktatur machte Remmele sich an den Wiederaufbau der deutschen Konsumgenossenschaftsbewegung. 1948 wurde er - mittlerweile 70 Jahre alt - in den Wirtschaftsrat der Bizone berufen. Im selben Jahr ließ die Stadt Karlsruhe ihm ein kleines Stück Wiedergutmachung zuteilwerden, indem sie ihm die Ehrenbürgerwürde verlieh. 1949 kehrte Adam Remmele aus gesundheitlichen Gründen aus Norddeutschland nach Baden zurück und zog nach Freiburg, wo er 1951 starb.

C | Erwin Sammet (1887 - 1973)

Der Installateur Erwin Sammet aus Philippsburg fungierte seit 1925 als Bezirksführer der überparteilichen Republikschutz-Organisation 'Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold' für Mittelbaden. Gegründet als Verband demokratisch eingestellter ehemaliger Frontkämpfer, verfolgte das 'Reichsbanner' das Ziel, den Feinden der Demokratie im öffentlichen Raum die Stirn zu bieten.

Wie Gustav Heller, der Führer der Karlsruher 'Eisernen Front' wurde Sammet am 15. März 1933 in ‚Schutzhaft' genommen, am 16. Mai 1933 ins KZ Kislau verschleppt und acht Monate später - am 11. November 1933 - wieder vorläufig aus der Haft entlassen.

Erst im September 1934 fand Sammet wieder Arbeit, und erst im Oktober 1934 erfolgte dann auch seine 'offizielle' Haftentlassung. Bis 1945 arbeitete er bei der Feuerwehrgerätefabrik Carl Metz, anschließend bei der Stadt Karlsruhe. Er starb 1973 im Alter von 86 Jahren.

Link zur ausführlichen Biographie im Stadtlexikon Karlsruhe hier

D | Dr. Ludwig Marum (1882 - 1934)

Als erster Justizminister der freien Republik Baden sowie als langjähriger Vorsitzender der SPD-Fraktion im Badischen Landtag und als Staatsrat setzte sich der promovierte Jurist Ludwig Marum unermüdlich gegen rechtsextremistische Umtriebe ein. Darüber hinaus vertrat er mit seiner Kanzlei zahlreiche Menschen in Prozessen gegen Nationalsozialisten anwaltlich. Seit 1928 gehörte Marum dem Reichstag an.
Wegen seiner jüdischen Herkunft passte der exponierte SPD-Politiker perfekt in das von den Nationalsozialisten gezeichnete Klischee des 'verjudeten Marxismus'. Schon lange vor 1933 überzogen die badischen Nazis ihn deshalb mit Hass und Häme sowie mit massiven Unterstellungen und Verleumdungen, die das Ziel hatten, ihn als korrupt hinzustellen.

Marum war auch bei der Reichstagswahl vom 5. März 1933 wiedergewählt worden. Obwohl er also eigentlich Immunität genoss, wurde er nur sechs Tage nach der Wahl in 'Schutzhaft' genommen und weitere neun Wochen später im Rahmen der Schaufahrt ins KZ Kislau verschleppt. Dort wurde er in der Nacht vom 28. auf den 29. März 1934 ermordet. Die Tat wurde als Selbstmord ausgegeben, aber viele Menschen hegten daran Zweifel. Am Trauerzug für Marum nahmen rund 3.000 Menschen teil - ein stiller Protest gegen das NS-Regime.

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E | Gustav Heller (1900 - 1977)

Der Rintheimer Schlosser Gustav Heller war Funktionär des SPD-nahen Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds und gehörte seit 1926 der Karlsruher Stadtverordnetenversammlung sowie 1933 für ganz kurze Zeit auch dem Karlsruher Stadtrat an. Seit 1931 firmierte er zudem als Vorsitzender der Karlsruher Sektion der neu gegründeten ‚Eisernen Front'. Mit diesem Zusammenschluss wollten SPD, Freie Gewerkschaften und die Republikschutzorganisation ‚Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold' den erstarkenden Nationalsozialisten sowie deren Verbündeten die Stirn bieten.

Wie der Reichsbanner-Führer Erwin Sammet wurde auch Heller am 15. März 1933 in ‚Schutzhaft' genommen, und ebenso wie dieser wurde er am 11. November 1933 vorläufig wieder aus der ‚Schutzhaft' im KZ Kislau entlassen

Erst anderthalb Jahre nach seiner Entlassung aus dem KZ gelangte Heller bei seinem alten Arbeitgeber Junker & Ruh wieder in Lohn und Brot - allerdings zunächst nur als Hilfsarbeiter. Als politisch Unbelasteter sollte er es in seiner Firma nach dem Ende des NS-Regimes dann binnen weniger Monate zum kommissarischen Leiter und schließlich zum Direktor bringen.

Zugleich beteiligte Heller sich auf vielfältige Weise am demokratischen Wiederaufbau Deutschlands. So war er von 1947 an 24 Jahre lang erneut Mitglied des Karlsruher Kommunalparlaments. 1949/50 gehörte er darüber hinaus dem Landtag des von der US-Besatzungsmacht gebildeten Landes Württemberg-Baden und 1952/53 der Verfassunggebenden Landesversammlung des neu gegründeten Landes Baden-Württemberg an. Wegen seiner Verdienste um die Gemeinde wurde Heller 1970 zum Ehrenbürger der Stadt Karlsruhe ernannt. Er starb 1977 in Karlsruhe.

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F | Sally Grünebaum (1886 - 1948)

Der Journalist Sally Grünebaum war bei der sozialdemokratischen Karlsruher Tageszeitung ‚Volksfreund' als Redakteur tätig. 1931 übernahm er die Redaktionsleitung des Blatts. Grünebaum wie seine gesamte Redaktion verteidigten konsequent Freiheit und Demokratie und warnten schon früh vor den Gefahren, die vom Aufstieg des Nationalsozialismus ausgingen, aber wegen seiner jüdischen Herkunft hassten die badischen Nazis Grünebaum ganz besonders.

Bereits am 11. März 1933 in ‚Schutzhaft' genommen, war Grünebaum das erste der sieben Schaufahrt-Opfer, das aus dem KZ Kislau freikam - dies allerdings zu einem sehr hohen Preis: Die Auflage seiner Entlassung am 18. Oktober 1933 war die sofortige Auswanderung nach Palästina.

Da ihm das angebliche Land seiner Ahnen fremd und er der Landessprache nicht mächtig war, fristeten Grünebaum, seine Frau und seine zwei Kinder in ihrem von den badischen Nazis erzwungenen Exil eine ärmliche Existenz. Nach dem frühen Tod seiner Frau im Jahr 1936 kämpfte Grünebaum sich noch zwölf Jahre durchs Leben, bevor er 1948 im Alter von 62 Jahren starb.

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G | August Furrer (1890 – 1957)

August Furrer war gelernter Schriftsetzer und Buchdrucker. Unter dem Eindruck des demokratischen Umbruchs 1918/19 trat er in den Polizeidienst ein. Fortan gehörte Polizeisekretär Furrer zu der leider viel zu kleinen Gruppe von Beamten, die treu zur Republik standen. Mit seinem energischen Durchgreifen als Einsatzleiter bei einer Schlacht zwischen Kommunisten und Nazis im April 1929 in der Karlsruher Festhalle geriet er endgültig ins Visier der badischen Nationalsozialisten. Deshalb gehörte er zu den Allerersten, die Opfer der am 10. März 1933 einsetzenden Verhaftungswelle in Baden wurden.

Am 2. Januar 1934 wurde Furrer aus der ‚Schutzhaft' im KZ Kislau ‚beurlaubt', seine offizielle Entlassung erfolgte erst im Dezember 1934. Den Lebensunterhalt seiner fünfköpfigen Familie sicherte er fortan mehr schlecht als recht mit Gelegenheitsarbeiten. Wegen des Verdachts auf illegale Betätigung für die SPD verbrachte er 1936 abermals mehrere Tage in Haft, und auch 1938 geriet er wieder ins Visier der Verfolgungsbehörden des NS-Regimes. Bei Kriegsbeginn 1939 wurde Furrer zur Wehrmacht eingezogen. Um einer erneuten Verhaftung zu entgehen, entfernte er sich im Februar 1945 unter Gefahr für Leib und Leben von der Truppe und verbrachte die Zeit bis zum Kriegsende in einem Versteck.

Noch im April 1945 trat Furrer in den Dienst der Karlsruher Stadtverwaltung ein, und nur wenige Wochen später war er bereits mit dem Aufbau einer Betreuungsstelle für Verfolgte des NS-Regimes befasst. August Furrer starb 1957 in Karlsruhe.

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Die Schaufahrt vom 16. Mai 1933

Vor 90 Jahren wurden sieben bekannte badische Sozialdemokraten Opfer der nationalsozialistischen Schaufahrt-Inszenierung.

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