Fünf Themenräume schildern die zentralen Entwicklungen und Ereignisse in den Bereichen Politik, Alltag und Gesellschaft, Wirtschaft und Soziales, Planen und Bauen sowie Kultur. Der Rundgang beginnt mit einer Zusammenstellung verschiedener Fotografien, die nicht nur in die Themen der Ausstellung einführt, sondern auch die Atmosphäre der Jahre der Weimarer Republik wiedergibt.
1 | Politik
Auch in Karlsruhe waren nach dem Ende der Monarchie bei weiten Teilen der Bevölkerung große Hoffnungen mit der Einführung einer demokratischen Staatsform verbunden. Die Wahlen zur Badischen am 5. Januar und zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 endeten mit einem deutlichen Sieg der demokratischen Parteien der Weimarer Koalition aus SPD, DDP und Zentrum, die zusammen jeweils rund 90 Prozent der Stimmen erhielten. Diese Koalition prägte bis 1929 Politik und Wahlen trotz einer zurückgehenden Wählerunterstützung.
Die Krisen im ersten Jahrfünft der Weimarer Republik mit den Bedrohungen von links durch die Ausrufung der Räterepublik 1919 und massiver von rechts durch den Kapp-Putsch 1920, die politischen Morde an Erzberger und Rathenau 1921/22 sowie den Hitlerputsch 1923 wurden gemeistert und führten zu keiner anhaltenden Destabilisierung der politischen Verhältnisse. Die 1918 von dem revolutionären Arbeiter- und Soldatenrat angekündigte "neue Zeit der Freiheit" schien Bestand zu haben.
Der auch in Karlsruhe schon früh deutlich erkennbare Antisemitismus nicht nur im völkischen Lager, sondern auch bei den Konservativen der DNVP, wies auf die Bedrohung von rechts hin, die zum Aufstieg der NSDAP und schließlich zum Untergang der Weimarer Republik führte. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Landtagswahl 1929. Nun kam es unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise zu einer zunehmenden Radikalisierung der politischen Auseinandersetzung im Badischen Landtag, im Rathaus und vor allem auf der Straße.
2 | Alltag und Gesellschaft
Auf das tägliche Leben der Menschen in Karlsruhe wirkten sich verschiedene Veränderungen und Neuerungen aus. Der neu eingeführte Acht-Stunden-Tag brachte vielen Berufstätigen mehr Freizeit, wovon auch die Vereine profitierten. Vor allem die Sportvereine - und hier besonders die Fußballvereine - nahmen einen enormen Aufschwung.
Die Zahl der Haushalte mit Stromanschluss stieg stark an. Wer es sich leisten konnte, kaufte sich elektrische Geräte wie Staubsauger oder Plattenspieler. Mit dem Rundfunk entstand 1923 ein gänzlich neues Medium, das ebenfalls schnelle Verbreitung fand. Schallplatten und Radio trugen zusätzlich zur Bekanntheit der neuen Musik- und Tanzstile wie Jazz und Charleston bei, die sich in den 1920er-Jahren auch in Karlsruhe zunehmender Beliebtheit erfreuten.
Immer mehr Frauen übten einen Beruf aus und stellten damit die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau in Frage. Die Frauenmode spiegelte diese Veränderungen: Sowohl die Kleider als auch die Haare wurden kürzer.
Allerdings setzten sich viele der genannten Veränderungen und Neuerungen nur allmählich oder teilweise durch - oder lösten Kritik und Widerstand aus. So blieben die Aufstiegschancen berufstätiger Frauen begrenzt. In Zeiten wirtschaftlicher Krisen wurde sogar versucht, Frauen aus dem Erwerbsleben zu drängen. Die neuen Musik- und Tanzstile stießen auf ebenso viel Zuspruch wie Missbilligung. Den Aufbrüchen standen somit immer wieder die Beharrungskräfte traditioneller Wertvorstellungen entgegen.
3 | Industrie, Arbeit und Soziales
Industrie
Im Laufe des 19. Jahrhunderts hatte sich Karlsruhe allmählich von einer Beamtenstadt zur Industriestadt entwickelt. Schwerpunkte waren dabei vor allem der Maschinenbau, die Lebensmittelindustrie mit den Brauereien sowie die Kosmetik- und Pflegemittelherstellung gewesen. Die Eröffnung des Rheinhafens brachte Anfang des 20. Jahrhunderts einen erneuten Schub für die Industrie, so dass sich dort zahlreiche Firmen niederließen.
Der Stadtplan von 1918/19 verzeichnet mehr als hundert Industriebetriebe in der Stadt. Für die meisten dieser Unternehmen waren die Folgen des Ersten Weltkriegs gravierend. Insbesondere die Geschäftsbeziehungen zu Elsass-Lothringen wurden jäh unterbrochen, nachdem das ehemalige "Reichsland" wieder ein Teil Frankreichs geworden war. Mit der französischen Rheinhafenbesetzung und der Inflation 1922/23 kam die Produktion fast zum Erliegen, und viele Industriebetriebe konnten sich nur mit Mühe über diese Zeit hinwegretten.
Die Weltwirtschaftskrise fünf Jahre später stürzte die Karlsruher Unternehmen erneut in eine Krise. Die Maschinenbaugesellschaft Karlsruhe ging 1929 wegen ausbleibender Aufträge der Reichsbahn in Konkurs. Deren Entwicklung und die der Nähmaschinenfabriken Haid & Neu in Karlsruhe und Gritzner in Durlach, des Nahrungsmittelkonzerns Sinner sowie der Toiletteseifenfabrik Wolff & Sohn sowie deren Produktion und Produktionsbedingungen werden hier in Schlaglichtern beleuchtet.
Arbeit und Soziales
Die Eingliederung des ehemaligen "Reichslandes" Elsass-Lothringen nach Frankreich hatte für Karlsruhe weitreichende Folgen. Die badische Landeshauptstadt hatte zahlreiche Flüchtlinge und Vertriebene aufzunehmen und zugleich die wirtschaftlichen Folgen der Abtrennung zu tragen, da für die Karlsruher Industrie ein großer Absatzmarkt wegbrach. Die Einrichtung einer entmilitarisierten Zone zwischen Deutschland und Frankreich 1920 bedeutete den Verlust der Garnison Karlsruhe mit ihren tausenden Soldaten. Zudem war die Stadt in den 1920er-Jahren zunächst durch die Inflation in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung gehemmt. Die französische Besetzung des Rheinhafens im Ruhrkampf 1923 sorgte zusätzlich für eine empfindliche Störung des Schiffs-, Eisenbahn- und Warenverkehrs.
Unmittelbare Folge dieser Ereignisse waren Arbeitslosigkeit und Nahrungsmittelknappheit. Die Stadt versuchte mit Notstandsarbeiten für Arbeitslose im Hoch- und Tiefbau, der Beschäftigung von Kriegsinvaliden oder durch Spendensammlungen wie die der "Karlsruher Notgemeinschaft" die Armut zu bekämpfen. Auch im Ausland organisierte Hilfsaktionen wie die amerikanische Quäkerspeisung für Schulkinder oder die Schweizer Suppenküche linderten die Not.
Die Arbeiterbewegung setzte sich mit den Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen ein, war jedoch in unterschiedliche politische Richtungen gespalten und dadurch geschwächt. Nach einer kurzen Phase der Erholung Mitte der 1920er-Jahre verschärfte die Weltwirtschaftskrise 1929 die soziale Lage wieder. Dies begünstigte unter anderem den Aufstieg der Nationalsozialisten.
4 | Planen und Bauen
Nach dem Ersten Weltkrieg herrschte in Karlsruhe eine große Wohnungsnot, die nicht nur das Leben der Menschen beeinträchtigte, sondern auch Politik und Verwaltung beschäftigte. Die Stadt Karlsruhe verfolgte das Ziel, den Wohnungsmangel durch städtischen und städtisch geförderten Wohnungsbau zu beseitigen. So entstanden zahlreiche neue Wohnbauten und eigene, neue Siedlungen. Karlsruhe wuchs über den bisherigen Stadtrand hinaus.
Im Stadtkern wurden Baulücken gefüllt, ehemaliges Bahngelände und freie Flächen wurden überplant. Dabei wurde nicht nur Quantität, sondern auch Qualität angestrebt. Die neuen Wohnungen sollten den Reformideen von "gesundem Wohnen" entsprechen. Die neue Sachlichkeit in der Kunst beeinflusste Architektur und Städtebau, was sich besonders an der Dammerstocksiedlung zeigte. Das "Neue Bauen" kontrastierte mit der weiterhin überwiegend traditionellen Bauweise in Karlsruhe. Zum Wohnungsbau kamen nach der Inflationszeit neue öffentliche Bauten, unter denen das Rheinstrandbad Rappenwört 1929 Maßstäbe setzte.
Maßgeblich für all das war eine neue Generation von Fachleuten. Der ab 1919 bis zur Absetzung durch die Nationalsozialisten 1933 amtierende Baubürgermeister Hermann Schneider war gegenüber innovativen Ideen aufgeschlossen. Einen Spezialisten für den Wohnungsbau hatte er mit Johannes Dommer. Carl Peter Pflästerer war im Tiefbauamt maßgeblich verantwortlich für den 1926 vorgelegten Entwurf zum Generalbebauungsplan, der die räumliche Entwicklung Karlsruhes und seiner Umgebung für die nächsten 50 Jahre vordachte.
5 | Kultur
Der Umbruch 1918 und seine Folgen wirkten sich auch auf den Karlsruher Kulturbereich aus. Zum einen mussten die eng an das Fürstenhaus angebundenen Kultureinrichtungen, das Hoftheater und die Kunsthalle, nun ihre Rolle im demokratischen Staat neu finden. Zum anderen hatten alle kulturellen Einrichtungen mit den Auswirkungen der wirtschaftlichen Krisenzeiten, der Inflation bis Ende 1923 und der Weltwirtschaftskrise ab 1929, zu kämpfen.
Aber auch in der Krisenzeit entstand Neues. 1920 fusionierten die Kunstgewerbeschule und die Akademie der Bildenden Künste zur Badischen Landeskunstschule, die neuen künstlerischen Entwicklungen Raum gab. Im Jahr darauf wurde das Badische Landesmuseum eröffnet und so das Karlsruher Schloss einer neuen, kulturellen Nutzung zugeführt. Dort wurden Bestände aus dem Sammlungsgebäude am Friedrichsplatz mit der Sammlung des Kunstgewerbemuseums und anderen Sammlungen zusammengeführt, darunter die stadtgeschichtlichen Sammlungen des Stadtarchivs. Im selben Jahr fand die erste Karlsruher Herbst-Woche statt, in der die Kultureinrichtungen ihre Aktivitäten konzentriert vorstellten.
Neben den öffentlichen Einrichtungen organisierten auch private Anbieter ein umfangreiches Kulturprogramm. Das Kinogewerbe boomte, 1932 gab es in Karlsruhe bereits zehn Kinos. Kabaretts und Varietés, die allerdings häufig nur für kurze Zeit bestanden, boten ein vielfältiges Kleinkunstprogramm. In Cafés spielten täglich hauseigene Orchester auf und Konzertdirektionen brachten renommierte Orchester nach Karlsruhe. Auch die Musik- und Gesangsvereine trugen mit ihren Konzerten wesentlich zum städtischen Musikleben bei.