Menü
eService
Direkt zu
Suche
eService – Ihr Anliegen bequem Online erledigen
Karlsruhe interaktiv – wichtige Website-Funktionen

Objekt im Fokus

 

Flugblatt-Fragment, 1969

 

Das Flugblatt des "Antiautoritären Jugendheims Roter Turm" wurde in den 1980er-Jahren im Untergeschoss des Basler Tors unter Schutt am Boden gefunden. Es zeugt von einer unruhigen Zeit in den Jahren 1968/69, als die Ereignisse um den Durlacher Torturm selbst in überregionale Nachrichten gelangten.

Schon seit 1958 hatte die Deutsche Jungenschaft e.V. den Basler Torturm von der Stadt Karlsruhe als Jugendheim gemietet. Allmählich politisierte sich die Gruppe; 1968 verstand sie sich als Teil der Außerparlamentarischen Organisation (APO). Zu diesem Zeitpunkt wurden die Mieter zunehmend als störend empfunden. Anwohner beklagten sich wiederholt über Lärm, Trinkgelage und gemeinsames Übernachten von Mädchen und jungen Männern im Turm. Daraufhin kündigte die Stadt das Mietverhältnis zum 15. Dezember 1968. Die Jugendlichen weigerten sich jedoch, den Turm aufzugeben.

Als Reaktion auf die als Unrecht empfundene Kündigung und als Zeichen ihrer sozialistischen Gesinnung hissten sie am Basler Tor eine rote Fahne und gründeten am 28. März 1969 das "Antiautoritäre Jugendheim Roter Turm". Im April 1969 stürmte eine Gruppe von NPD-Mitgliedern den Turm, holte die rote Fahne ein und beschädigte Einrichtungsgegenstände. Zu einem weiteren Vorfall kam es am Abend des 8. Mai 1969. Ein Durlacher feuerte 15 Schüsse aus einem Kleinkalibergewehr auf ein erleuchtetes Fenster des Basler Tors. Die Scheibe zerbrach, doch es wurde niemand verletzt. Die Jugendheim- Aktivisten beklagen in dem gezeigten Flugblatt, dass nichts gegen den Schützen unternommen worden sei, obwohl die im Turm "arbeitenden Jugendlichen tödlich gefährdet" gewesen seien. Das Flugblatt verweist auch auf die gesellschaftlichen Veränderungen, die die jungen Leute forderten. Es ging ihnen neben politischen und soziologischen Fragen auch um sexuelle Freiheit für Jugendliche.

Flugblatt

Am 23. Mai 1969 ordnete das Amtsgericht Durlach die Räumung des Turmes zum 31. Juli an. Als die Mieter vier Tage später von dem Urteil erfuhren, taten sie ihren Ärger kund, in dem sie das Rathaus stürmten und im Jugendamt Akten und Blumentöpfe aus dem Fenster warfen. Die aufgeladene Stimmung in Durlach wurde von der NPD weiter geschürt, die der Stadt zu weiches Vorgehen gegen die Jugendgruppe vorwarf. Um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit abzuwenden, ließ Oberbürgermeister Klotz am 28. Mai 1969 den Basler Torturm von der Polizei räumen. Die Parolen, die die Jugendlichen in den Innenräumen hinterließen, wurden später übermalt, sodass am Basler Tor heute nichts mehr an die Ereignisse des Jahres 1969 erinnert.

 

Gabriele Rillig M.A.

-

Kopieren Kopieren Schreiben Schreiben