Menü
eService
Direkt zu
Suche
eService – Ihr Anliegen bequem Online erledigen
Karlsruhe interaktiv – wichtige Website-Funktionen

Blick in die Geschichte Nr. 103

vom 27. Juni 2014

Die badischen Wurzeln der Krupp-Dynastie

Die Familie von Bohlen und Halbach

von Manfred Koch

Es ist sicher außergewöhnlich, dass die Berufskarrieren eines Abiturjahrgangs aus Anlass der Feier zum Goldenen Abitur dokumentiert werden. Die Abiturienten des Jahrgangs 1888 am Karlsruher Gymnasium (heute Bismarckgymnasium) legten eine solche Darstellung 1938 vor. Bemerkenswert ist, dass die alten Herren sich und ihren bereits verstorbenen Mitabiturienten mit der Darstellung bescheinigen, dass ihr "Lebenswerk als Einheit betrachtet [...] auch vor den hellblickenden Augen des Dritten Reiches bestehen kann." Lediglich "der Jude Landauer" (gemeint ist der als Mitglied der Münchner Räteregierung 1919 ermordete Gustav Landauer) habe "das anvertraute Pfund zum Schaden seines Vaterlandes missbraucht." Kein Wort auch darüber, dass der jüdische Mitschüler und Kinderarzt Dr. Theodor Homburger bereits 1935 seiner Heimatstadt aufgrund der nationalsozialistischen Judenverfolgung den Rücken kehren musste.

An dieser Schrift ist, abgesehen von der offensichtlich unkritischen Zustimmung zum NS-Staat, besonders interessant, dass sie "Dr. Gustav von Bohlen und Halbach in Dankbarkeit gewidmet" ist. Dieser war, wie ein Blick in die Auflistung ergibt, ebenfalls einer der Abiturienten. Ein weiterer Blick in die Biografien der Publikation bestätigt dann, es war der Mann, der durch seine Heirat 1906 zum Chef des Stahlkonzerns Krupp wurde. Der Mann, dessen Firma zum großen Waffenlieferanten für die deutsche Wehrmacht im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg wurde, hat in Karlsruhe das Abitur gemacht. Den Kontakt zu seinen Mitabiturienten hat er offensichtlich trotz seiner Aufgaben als Leiter der größten Rüstungsschmiede gepflegt: Zur 40. Jahresfeier des Abiturs lud er zu dreitägigen Feiern in die Villa Hügel in Essen ein und das Goldene Abitur 1938 wurde in seinem Schloss Blühnbach in Österreich gefeiert. Auch zur 350-Jahr-Feier des Karlsruher Gymnasiums 1936 war er präsent und spendete eine "besonders angefertigte Kolossalbronzebüste Adolf Hitlers mit Marmorpostament für die Aula."

Für die Aufrechterhaltung der Verbindung von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach zu Baden und Karlsruhe sind aber weniger seine Mitabiturienten ausschlaggebend. Vielmehr sind dafür die familiären Bande verantwortlich.

Ansiedlung der Großeltern in Mannheim

1839 hatten sich seine Großeltern Arnold Halbach(1787-1860) und Caroline, geb. Bohlen, (1800-1882) in Mannheim niedergelassen. Sie kamen im Alter von 52 und 40 Jahren als „Rentiers“ mit Tochter Mathilde (1823-1846) und Sohn Gustav (1831-1890) sowie Dienerschaft aus Philadelphia/USA. Sie strebten auf den alten Kontinent in ihr Vaterland zurück und wollten ihrem Sohn die Möglichkeit zur Ausbildung in Deutschland geben.

Beide Ehepartner stammten aus deutschen Familien, die in Philadelphia sehr erfolgreich Handelshäuser betrieben. Die Halbachs stellten seit Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland bei Remscheid Stahl her, den sie über eine eigene Niederlassung auch in die USA exportierten, wo der Vater von Arnold dank der guten Geschäfte zudem Grundbesitz mit Kohlevorkommen erwerben konnte. Die Bohlens waren Landwirte in Ostfriesland, aus deren Familie der Vater von Caroline zuerst nach Amsterdam und von dort in die USA auswanderte. Er gelangte mit einem Import- und Exporthandel zu Wohlstand. Auch er erwarb Kohleminen in den USA und kam zudem durch seine zweite Ehe mit einer Holländerin zu Grundbesitz in Holland. Mit Arnold und Caroline hatten sich somit die Nachkommen zweier sehr wohlhabender Familien verbunden, die in der Frühzeit des sich globalisierenden modernen Handelsverkehrs schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts häufiger aus geschäftlichen und privaten Anlässen den Atlantik überquerten.

Warum das Ehepaar, das sich amerikanischem Brauch folgend Bohlen-Halbach nannte, in Mannheim seinen Wohnsitz nahm, blieb auch dem Verfasser der umfangreichen Biografie der weitverzweigten Familien Halbach und Bohlen, Wilhelm Berdrow, verborgen. Er mutmaßt, dass der aufstrebende Handelsplatz Mannheim den Vorzug vor Frankfurt erhielt, da hier am Witwensitz der Großherzogin Stephanie reges gesellschaftliches Leben adliger Kreise herrschte, sich aber zugleich ein bürgerlich-geselliges Leben entfaltete. Die Bohlen-Halbachs nahmen in Mannheim im vormaligen Palais Bretzenheim - einem der gegenüber dem Schloss gelegenen besten Häuser der Stadt - ihre Wohnung und standen bald in lebhaftem Kontakt mit der "guten Gesellschaft" Mannheims. Das Leben in Mannheim unterbrachen zahlreiche ausgedehnte Reisen in viele Teile Europas und einmal noch nach den USA. Begleitet von ihrem Sohn besichtigten sie dabei Sehenswürdigkeiten und besuchten zugleich die weitverstreute Verwandtschaft. Zudem hielten sie sich häufiger in Baden-Baden auf, wo Arnold Bohlen-Halbach 1860 verstarb und bestattet wurde.

Gustav Bohlen-Halbach sen. (1831-1890)

Obgleich Gustav den Unterricht in Mannheim des Öfteren während der Reisen mit seinen Eltern versäumte, schloss er die Schule 1849 ab. Danach begann er ein Jurastudium, das 1853 in Heidelberg erfolgreich mit der Promotion endete. Daran schlossen sich weitere Reisen etwa nach England und Frankreich an, um seine Länder-, Sprach- und Menschenkenntnisse zu vertiefen. Dies diente seinem Ziel, Diplomat im Dienste des Großherzogtums Baden zu werden. 1858 erfolgte schließlich auf seine Bewerbung hin die Einstellung in den diplomatischen Dienst als Attaché in der badischen Gesandtschaft in Berlin. In seiner Bewerbung hatte er betont, dass er dank seiner materiellen Unabhängigkeit auf eine Entlohnung verzichten könne. 1861 wurde er, zum Legationssekretär mit Gehalt befördert, nach Paris versetzt und 1862 nach Den Haag. Dort stieg er zum Leiter der badischen Gesandtschaft auf.

Im Jahr seiner Verwendung in Holland heiratete Gustav in Den Haag Sophie Bohlen (1837-1915). Sie war die Tochter von Henry Bohlen (1810-1862), der wiederum ein Halbbruder von Gustavs Mutter Caroline war. Es kam somit erneut zu einer ehelichen Verbindung der Familien Halbach und Bohlen. Henry Bohlen hatte die väterliche Firma in Philadelphia weitergeführt und es ebenfalls zu großem Wohlstand gebracht. Seine Ehefrau Emilia (1811-1851) und die Mutter von Sophie war die Tochter eines aus Frankreich stammenden, begüterten französisch-amerikanischen Großhändlers. Wenige Monate vor der Hochzeit seiner Tochter ist Henry im Rang eines Brigadegenerals im amerikanischen Bürgerkrieg gefallen.

Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 endete Gustavs Tätigkeit als badischer Diplomat. Eine Verwendung im Dienst des Reichs in Übersee lehnte er mit Rücksicht auf die Ausbildung seiner Kinder ab. Mit seiner Verabschiedung erfüllte sich jedoch ein lange gehegter Wunsch: Er wurde vom Großherzog in den erblichen Adelsstand erhoben und nannte sich nun von Bohlen und Halbach. Nach der Ernennung zum Kammerherrn des Großherzogs 1878 übersiedelte die Familie 1879 nach Karlsruhe, wo sie in der Kriegsstraße 83 eine Villa erworben hatte. Ab 1881 nahm Gustav am Karlsruher Hof eine herausgehobene Stellung ein: Er wurde Hofzeremonienmeister und Oberschlosshauptmann, seit 1888 mit dem Titel Exzellenz. Nach längerer Suche gelang es ihm, 1885 ein angemessenes Domizil zu erwerben. Er kaufte die 1317 erstmals urkundlich erwähnte Burg Obergrombach mit dem 1720-1723 von Damian Hugo von Schönborn, Fürtsbischof von Speyer, erbauten Schloss und vergrößerte deren Liegenschaften durch weiteren Landerwerb. 1889 erhielt er die Erlaubnis Obergrombach zusammen mit der Karlsruher Villa in ein Stammgut der Familie zu überführen

Burg und Schloss Obergrombach, seit 1885 Sitz der Familie Bohlen und Halbach 2014

Gustav von Bohlen und Halbach jun. (1870-1950)

Gustav sen. konnte sich nicht lange seiner neuen Besitzung erfreuen. Er starb 1890 in Karlsruhe und wurde auf dem Familienfriedhof in Obergrombach bestattet. Gemäß den Bestimmungen für das Stammgut erbte dieses zunächst die Ehefrau Sophie und nach deren Tod 1915 der Sohn Gustav jun. Dieser trat nach Abitur, Jurastudium in Lausanne, Straßburg und Heidelberg (Dr. jur.) und Referendarszeit in den badischen Justizdienst. 1897 wechselte er in den Auswärtigen Dienst des Deutschen Reiches und folgte damit seinem Vater in der Diplomatenlaufbahn. Nach Stationen in Washington und Peking kam er als Legationsrat zur preußischen Gesandtschaft im Vatikan. Dort lernte er die junge Alleinerbin der Kruppschen Werke, Bertha Krupp (1886-1957) kennen, die er 1906 heiratete. Damit trat der Nachfahr einer Familie, die einst in der industriellen Frühzeit mit der Produktion von Stahl begonnen hatte, an die Spitze des weltgrößten Gussstahlherstellers und der größten deutschen Waffenschmiede. Als "Liaison von Staat und Kirche" nahm die Öffentlichkeit damals die Hochzeit wahr. Sie fand in Essen in der Villa Hügel in Gegenwart des Deutschen Kaisers statt. Von diesem erhielt das Paar die Erlaubnis, den Namen Krupp von Bohlen und Halbach zu tragen.

Auch wenn Gustav jun. fortan in Essen in der Villa Hügel als Hausherr residierte, blieben seine Beziehungen zu Baden eng. Der Familiensitz Obergrombach lag ihm nahe als Wohnort seiner Mutter und Treffpunkt für zahlreiche Familienfeiern wie z. B. die Hochzeit seiner Schwester Emily mit dem großherzoglich-badischen Kammerherrn Sigmund Göler von Ravensburg. Burg und Schloss Obergrombach befinden sich bis heute im Besitz der Familie von Bohlen und Halbach.

-

Kopieren Kopieren Schreiben Schreiben