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Blick in die Geschichte Nr. 134

vom 18. März 2022

Gastwirtschaft, Straße, Seen und Haltestelle

Das historische "Jägerhaus" und seine Namensträger

von Volker C. Ihle

Heute ist der Name Jägerhaus eng mit dem Stadtteil Waldstadt und der dortigen Straßenbahnhaltestelle verbunden. Dabei entstand das Forsthaus in der damals rechtlich eigenständigen Gemarkung Hardtwald. Ein weiteres Gebäude mit dem Namen Jägerhaus, ein Wirtshaus, wurde etwa 50 Jahre später, nur einen Steinwurf vom ersten entfernt, auf Hagsfelder Gemarkung errichtet. Als die beiden Häuser am Wald- bzw. Feldrand entstanden, war es kaum vorstellbar, dass sie einmal zu zwei architektonischen Fremdkörpern in einer auf dem Reißbrett geplanten Trabantenstadt werden könnten und das ursprüngliche Jägerhaus den Bau der Waldstadt nur als ein Namensgeber überleben würde.

Das ursprüngliche Jägerhaus fiel zu Beginn der 1960er Jahre dem Bau der Waldstadt zum Opfer; Aquarell Gerhard Kentner

30 Mark Nutzungsgebühr für Hagsfelder Gemeindeeinrichtungen

Das erste Jägerhaus wurde vom Ende der 1860er Jahre bis zum Jahr 1963 von großherzoglichen Hofjägern und von Revierförstern sowie deren Familien bewohnt. Es befand sich unmittelbar an der Landesstraße, die von Durlach über Hagsfeld mitten durch den Hardtwald nach Eggenstein führte und damit die wichtigste regionale Querverbindung zwischen den Reichsstraßen im Osten und Westen (heute B3 und B36) nördlich der Kaiserstraße bildete. Da der Hardtwald formal eine abgesonderte Gemarkung war, hatte das Bezirksamt 1894 verfügt, dass die Bewohner des Jägerhauses die Gemeindeeinrichtungen von Hagsfeld mitbenutzen durften. Die Großherzogliche Civilliste als Eigentümerin des Waldes und damit auch des Gebäudes wurde verpflichtet, dafür jährlich 30 Mark an das Dorf zu zahlen.

Die ersten Bewohner des Jägerhauses waren nacheinander die Großherzoglichen Hofjäger Christian Maier, Johann Borell und Leopold Schäffer. Ihre wesentliche Aufgabe bestand darin, einen Teil des großherzoglichen Wildparks im Hardtwald zu betreuen, der bis 1918 vor allem der fürstlichen Jagd diente. Schäffer erhielt 1908 zudem den Auftrag, in dem neben dem Jägerhaus gelegenen Weiher eine Fischzucht zu betreiben. Wegen seiner stattlichen Erscheinung und vor allem wegen der ihm nachgesagten großen Ähnlichkeit mit Großherzog Friedrich munkelten manche Hagsfelder, Schäffer sei ein uneheliches Kind des Landesfürsten. Tatsache ist immerhin, dass er und sein Zwillingsbruder Theodor Patenkinder von Großherzog Leopold waren.

Ab 1914 wurde das Jägerhaus von Hofjäger Karl Wilhelm Pfattheicher als Dienstsitz und Wohnung genutzt. Der elffache Vater übte sein Amt bis 1924 aus, wobei er nach Abschaffung der Monarchie die Bezeichnung Revierförster führte. Ihm folgten Karl Seitz bis 1946 und - als letzter Bewohner - Revierförster Fritz Mayer, der 1963 ausziehen musste, weil das Jägerhaus zum Abriss verurteilt war. Heute befindet sich auf dem Gelände ein Wohnblock der Waldstadt (Kolberger Str. 28e).

Das Gasthaus "Zum neuen Jägerhaus" (später nur noch "Jägerhaus") ist heute ein Wohnhaus

Hilferuf mit dem Jagdhorn

Nur wenige Schritte östlich des Jägerhauses ließ der Hagsfelder Bahnhofswirt Arthur Palmer 1926 ein Haus mit Schankwirtschaft errichten. Palmer nannte seine Wirtschaft in Anlehnung an das Nachbargebäude Zum Neuen Jägerhaus. Aus dem Bauantrag geht hervor, dass der Standort die "Sandgrube des Christian Müller" war, die sich auf der Gemarkung der Gemeinde Hagsfeld befand und schon in einem Plan von 1756 eingezeichnet war. In ihr entstand später auch der erste Baggersee (südlicher Jägerhaussee).

Das Lokal mit seinem Biergarten war Jahrzehnte lang ein beliebtes Ausflugsziel. Aufgrund der Abgelegenheit standen die Wirte und Förster in engem Austausch. In dem Buch "Erlebnis Hardtwald" wird berichtet, dass der Revierförster Pfattheicher zeitweise die Gastwirtschaft sogar selbst betrieb. Da es aber bei der Bewirtung von Wilderern und Holzdieben zu Streitfällen wegen der Abgrenzung von Amt und Geschäft kam, wurden Gasthaus und Forstamt letztendlich wieder getrennt geführt. Im Zweiten Weltkrieg bot der Keller des Neuen Jägerhauses so manchen Hagsfeldern Schutz vor Luftangriffen, darunter auch dem Zimmermeister Herbert Beideck, dessen Großvater das Neue Jägerhaus gebaut hatte. Als im April 1945 Dutzende Panzer der französischen Armee vom Hardtwald nach Hagsfeld fuhren, zogen sie am alten und am neuen Jägerhaus vorbei. Es folgten Plünderungen, Raubüberfälle und schwere Übergriffe. Noch im Juni wurde Revierförster Seitz im Jägerhaus nachts beschossen. Auf seine Hilferufe und die von ihm abgegebenen Jagdhornsignale kamen die Nachbarn vom Wirtshaus zu Hilfe, worauf die Eindringlinge abzogen.

Während das ursprüngliche Jägerhaus nach seinem Abriss allmählich in Vergessenheit geriet, wurde bei der Gastwirtschaft das Adjektiv "neu" immer häufiger weggelassen. Ab den 1980er Jahren findet sich auch im Karlsruher Adressbuch nur noch der Eintrag Jägerhaus ohne Zusatz. 1996 wird es im Karlsruher Gastronomieführer als gemütliches Lokal beschrieben, dessen Innenraum ganz in Holz gehalten ist und das mit 60 Sitzplätzen und weiteren 60 Terrassen-Sitzplätzen badische Küche bot. Als aber der Pachtvertrag mit der Brauerei ablief, wäre eine Verlängerung mit kostenintensiven behördlichen Auflagen verbunden gewesen. Daher wurde das Gebäude 2003 verkauft und in ein Wohnhaus umgebaut.

Der Name "Jägerhaus" lebt weiter

Eine dauerhafte Ehrung erhielt das Jägerhaus, als Hagsfeld am 1. April 1938 nach Karlsruhe eingemeindet wurde. Da es in Knielingen bereits eine Eggensteiner Straße gab, wurde die gleichnamige Straße in Hagsfeld - also das Teilstück der L604 zwischen der Hagsfelder Ortsmitte und dem damaligen Hardtwaldrand - in Jägerhausstraße umbenannt. Das alte Jägerhaus war davon nicht betroffen, da es keiner Straße zugeordnet, sondern im Straßenverzeichnis unter Jägerhaus aufgeführt war. Erst Ende der 1940er Jahre wurde es der Straße als Nr. 102 zugeschlagen. Wenige Jahre später geschah dies auch mit dem Forsthaus "Parkhaus", das im Karlsruher Adressbuch unter "Jägerhausstraße 104" erschien. Damit war die Jägerhausstraße plötzlich mehr als doppelt so lang, denn das Parkhaus befand sich westlich der heutigen Waldstadt an der L604 / Ecke Friedrichstaler Allee (heute ein Grillplatz). 1972 wurde es wegen Baufälligkeit abgerissen und durch ein neues Forsthaus an der Theodor-Heuss-Allee ersetzt.

In der Bildmitte oberhalb der ehemaligen Jägerhausstraße rechts das neue Jägerhaus, links davon zwischen Bäumen das ursprüngliche Jägerhaus kurz vor dem Abriss Anfang der 1960er Jahre

Der Bau der Waldstadt führte nicht nur zum Abriss des alten Jägerhauses, sondern hatte auch für die Jägerhausstraße und das neue Jägerhaus beträchtliche Auswirkungen. Mit der weitgehenden Fertigstellung des ersten Teils der Waldstadt (heute Waldstadt-Waldlage) 1963/64 war die ursprüngliche Trasse der Jägerhausstraße zwischen dem Jägerhaus und der Blankenlocher Allee (heute Theodor-Heuss-Allee) durch die Baumaßnahmen völlig verschwunden. Als dann auch die Waldstädter Feldlage bebaut wurde, änderte sich Anfang der 1980er Jahre die Adresse der Gastwirtschaft über Nacht von Jägerhausstraße 100 in Glogauer Straße 40. Denn die Straßenzufahrt erfolgte neuerdings von Süden, während nun auch der östliche Teil der Jägerhausstraße bis zum Hagsfelder Ortsrand entfernt wurde. Heute endet die Straße als Sackgasse kurz vor einer Schallschutzwand der Bahn. Ein Teil des ehemaligen Verlaufs lässt sich in Form eines Fuß- und Radwegs parallel zum südlichen Seeufer sowie eines kurzen Stücks Glogauer Straße noch erahnen.

Eine weitere Ehrung erfuhr das alte Forsthaus im Jahr seines Abrisses. Die Endhaltestelle der neu eingerichteten Straßenbahnlinie in die Waldstadt erhielt 1963 den Namen Jägerhaus, wobei umstritten ist, ob tatsächlich das Forsthaus oder die Wirtschaft der Namensgeber war. Ende 2000 wurde die Haltestelle zwar durch eine Streckenverlängerung bis zur Europaschule zu einer normalen Haltestelle herabgestuft, aber die Wendeschleife Jägerhaus ist bis heute bedarfsmäßig in Betrieb. Das (neue) Jägerhaus war von der neuen Bahnlinie insofern betroffen, als es einen Teil seines ursprünglich bis zum Seeufer reichenden Grundstücks an die Stadt Karlsruhe abtreten musste.

Auch im Namen der beiden benachbarten ehemaligen Baggerseen lebt das Jägerhaus weiter. Im nördlich gelegenen See, der bis um die Jahrtausendwende offiziell als Hofmann-See den Namen des ursprünglichen Eigentümers trug, wurde noch bis Anfang der 1960er Jahre Sand abgebaut. Die Zufahrt befand sich östlich des Neuen Jägerhauses, von wo aus die LKWs das begehrte Baumaterial durch die Jägerhausstraße bis nach Pforzheim transportierten. Heute heißen beide Gewässer Jägerhausseen. Sie gehören der Stadt Karlsruhe, die sie an den Sportfischer-Club Karlsruhe-Hagsfeld e. V. verpachtet hat. Auf den ehemaligen Getreidefeldern nördlich der Seen ließ die Stadt zwischen 2005 und 2008 Bäume pflanzen sowie Wiesenflächen für Spiel und Erholung anlegen und gab dem Areal den Namen Stadtteilpark Jägerhausseen.

Professor Volker C. Ihle, Leiter Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen, Wissenschaftliche Leitung International Office an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Karlsruhe

 

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