Menü
eService
Direkt zu
Suche
eService – Ihr Anliegen bequem Online erledigen
Karlsruhe interaktiv – wichtige Website-Funktionen

Das literarische Leben in Deutschland nach der Bücherverbrennung

Die nationalsozialistische Bücherverbrennung und anschließende Verfemung jedweder missliebiger Literatur zusammen mit der Ausgrenzung so genannter "entarteter Kunst" zerstörte das pluralistische Kulturleben in Deutschland.

Nach der Etablierung der Diktatur, die binnen weniger Monate alle oppositionellen Kräfte ausschaltete, markiert die Bücherverbrennung das öffentlich inszenierte Ende der Freiheit der Meinung, der Kunst und der Wissenschaft. Bis 1945 wurde in der Folge eine "Kultur" zelebriert, die mit Rassismus, Blut- und Bodenideologie und Militarismus in den Krieg führte. In diesem Krieg, in dem "die Jugend an die Front", das "Volk ans Gewehr" kam - wie es das gleichnamige NS-Lied und der NS-Jugendführer Friedhelm Kemper 1933 propagiert hatte - kamen zahlreiche der beteiligten Jugendlichen von 1933 als Soldaten zu Tode.

Die von dem Berliner Bibliothekar Dr. Wolfgang Herrmann zusammengestellten "schwarzen Listen", die den studentischen Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 zugrunde lagen und mit Abweichungen reichsweit benutzt wurden, hatten vor allem einen empfehlenden Charakter. Tatsächlich verfemte das NS-System noch weit mehr Autoren und Autorinnen.

 

Kleine Bibliothek verbrannter Literatur. Ausgaben vor 1933 aus der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe

Thomas Mann beispielsweise stand trotz seiner schon vor 1933 geübten harschen Kritik an den Nationalsozialisten nicht auf der Liste, wurde aber nach seiner Emigration gleichwohl "verstoßen". Der trotz seines sozialistischen Gedankenguts ausgenommene Oskar Maria Graf veröffentlichte am 12. Mai 1933 in der Wiener "Arbeiter-Zeitung" den Aufruf "Verbrennt mich!".

Der NS-Landesjugendführer Kemper selbst konnte außer im November 1933 mit einem bedeutungslos gewordenen Abgeordnetensitz im Reichstag keine Sprosse der NS-Karriereleiter mehr erklimmen. Der eher klägliche Ablauf der beiden "kulturellen Kampfwochen" in Baden hatte eventuell mit dazu beigetragen, ihn nicht für Höheres zu prädestinieren.

Die nicht verfemte Literatur, auch die deutsche klassische wie Goethe und Schiller, war nach der Verbrennung "undeutscher" Autoren und Autorinnen allenfalls Feigenblatt einer hohl gewordenen Kultur in Deutschland. Oder die Autoren hatten sich teilweise mit dem Nationalsozialismus arrangiert, wie beispielsweise Gerhart Hauptmann.

Neben expliziter nationalsozialistischer Literatur wie u. a. von Edwin Erich Dwinger stand die nur äußerlich "unpolitisch" erscheinende, seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgekommene, "Heimatdichtung" hoch im Kurs, die mühelos nationalsozialistisch vereinnahmt werden konnte. Dem dort geschilderten idyllischen, gemeinschaftlichen, ländlichen Leben wie in der vermeintlich "guten alten Zeit" stand das einsame, "unsittliche" Leben in der modernen Stadt gegenüber, das die von den Nationalsozialisten als "Asphalt-Literatur" denunzierten Werke von verfemten Autorinnen und Autoren, bspw. Alexander Döblin mit "Berlin Alexanderplatz" aufgegriffen hatten. Sie arbeiteten mit neuartigen literarischen Techniken wie Aufgabe der Chronologie, innerer Monolog, Perspektivenwechsel, Psychologisierung etc.

Das kulturelle Leben in Deutschland erlebte mit dem Epochen-Ereignis 1933 einen grundlegenden Einschnitt. Nach 1945 konnte es ein nahtloses Wiederanknüpfen an die Zeit vor 1933 nicht mehr geben.

 

-

Kopieren Kopieren Schreiben Schreiben