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Bücherverbrennung 1933

1933 folgten auf die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Bücherverbrennungen in verschiedenen Orten. Durch Überlieferung in Bild und Ton steht die am 10. Mai 1933 am damaligen Berliner Opernplatz (heute Bebelplatz) im kollektiven Gedächtnis bis heute für "die Bücherverbrennung". Die Bücherverbrennung in Karlsruhe am 17. Juni 1933 war zwar auch Folge dieser Aktion der Deutschen Studentenschaft, war aber zugleich Bestandteil einer eigenen inszenierten regionalen Kampagne.

Bücherverbrennung in Deutschland

Unmittelbar nach der nationalsozialistischen Machtübernahme fanden in einigen Städten "wilde" Bücherverbrennungen statt. Im April 1933 rief die "Deutsche Studentenschaft" zu einer vierwöchigen "Aktion wider den undeutschen Geist" auf.

Es wurden "Schwarze Listen" für die Säuberung öffentlicher und privater Bibliotheken von "zersetzendem Schrifttum" verbreitet. Höhepunkt waren die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 in 21 Universitätsstädten. Begleitet von "Feuersprüchen" wurden Werke von Frauen und Männern aus der Philosophie, der Wissenschaft, der Lyrik, der Belletristik und der Politik den Flammen übergeben, darunter die Bücher von Karl Marx, Heinrich Heine, Sigmund Freud, Heinrich Mann, Erich Maria Remarque, Bertolt Brecht, Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Carl von Ossietzky, Alfred Kerr, Bertha von Suttner, Rosa Luxemburg und vielen anderen.

In Berlin hielt Joseph Goebbels eine Hetzrede gegen die verfemten jüdischen und "marxistisch-liberalistischen" Autoren, die in Kunst und Kultur keinen Platz mehr haben sollten.

Bücherverbrennungen fanden am 10. Mai in 21 deutschen Universitätsstädten statt. Die Technische Hochschule Karlsruhe war, da keine Universität, an der reichsweiten Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 nicht beteiligt.

Bücherverbrennung in Berlin am 10. Mai 1933, Foto: Georg Pahl, Bundesarchiv

Bücherverbrennung in Karlsruhe

Der badische Hitlerjugend-Führer Friedhelm Kemper (1906-1990) rief am 12. Mai 1933 unter dem Eindruck und in Nachahmung der Bücherverbrennungen der "Deutschen Studentenschaft" vom 10. Mai zu "zwei kulturellen Kampfwochen" der Hitlerjugend in Baden auf.

Auf der Kaiserstraße sammeln Hitler­jun­gen im Juni 1933 Bücher für die Verbren­nung ein

Als Höhepunkt sollten in "jeder badischen Stadt" am Ende der ersten Kampagnenwoche "gegen Schmutz und Schund" Bücherverbrennungen stattfinden. Tatsächlich sind Bücherverbrennungen im Rahmen dieser Aktion nach bisherigem Erkenntnisstand in Baden bekannt in Karlsruhe (17. Juni), Durlach (17. Juni), Pforzheim (17. Juni), Offenburg (17. Juni), Wertheim (17. Juni), Kehl (17. Juni), Emmendingen (17. Juni) und in Heidelberg am 16. Juli 1933 (anstelle der am 17. Juni wegen Regens abgesagten Verbrennung). Parallel zur Kampagne "gegen Schmutz und Schund" wurde die Bücherverbrennung auch als Sonnenwendfeuer bezeichnet, obgleich das Reichsinnenministerium den 24. Juni 1933 zum Tag der Jugend mit Sonnenwendfeiern ausgerufen hatte. Die Kampagne der beiden "Kampfwochen" in Baden war offensichtlich ein Profilierungsversuch Kempers.

In Karlsruhe begann die Hitlerjugend (HJ) die vom 11. bis 17. Juni festgelegte "erste Kampfwoche" mit dem Sammeln von "literarischem Schmutz und Schund" erst am 14. Juni. Nach dem Bericht der Parteizeitung "Der Führer" soll sie groß angelegt gewesen sein.

Zwei Kolonnen zogen vom Mühlburger Tor und vom Durlacher Tor aus durch die Kaiserstraße vor "jede Buchhandlung" und vor "jede Bibliothek". Davor rief der Trupp "Heraus mit Schmutz und Schund! Lest deutsche Dichter!" Dann betraten sechs Hitlerjugend-Mitglieder die Einrichtung, während, wie "Der Führer" den Ablauf aufbauschend weiter beschrieb, "Ein Kommando von zwölf Jungens unterdessen den Eingang frei [hielt] und sicherte gegen die rasch zusammengelaufene, neugierig vordrängende Menge." Anschließend wurde die Ausbeute auf mitgeführte Leiterwagen geworfen. Es sollen im Lauf des Tages fünf randvoll gefüllte Wägen gewesen sein, deren Inhalt beim Bezirksamt am Marktplatz (Karl-Friedrich-Str. 15) bis zur Verbrennung gelagert wurde.

 

Kaiserstraße in den 1930er-Jahren

Während der Aktion wurde auf dem Marktplatz eine "Wache" der Hitlerjugend mit einem Transparent "Heraus mit Schmutz und Schund!" aufgestellt, welche alle zwei Stunden abgelöst wurde. Daraus ist für Mittwoch, den 14. Juni 1933, eine Beteiligung von ca. bis zu 60 HJ-Mitgliedern anzunehmen. Darunter waren auch Mädchen vom BDM (Bund deutscher Mädel), ohne dass die NS-Presse deren "Engagement" besonders herausstellte.

Über Aktionen in den folgenden Tagen liegen keine Informationen vor, sie müssen aber stattgefunden haben. Das Zeitungsblatt der katholischen Zentrumspartei, "Badischer Beobachter", berichtet empört darüber, dass im Borromäusverein (katholischer Bildungsverein, Kriegsstr. 49) von Mädchen nach "Schmutz und Schund" gefragt worden sei und dabei auch der "Badische Beobachter" eingefordert worden sei.

Am Samstag, dem 17. Juni 1933, hatte es bereits tagsüber stark geregnet. Eine Absage, wie in Heidelberg, wollte die Karlsruher NS-Führung angesichts ihrer sehr hoch aufgehängten Inszenierung nicht riskieren. Das NS-Parteiorgan stellte die angeblich dem wetterlichen Unbill trotzende HJ heraus, während deren Eltern zweifelnd gewesen sein sollen. Ein Hinweis auf mangelnde Beteiligung der überwiegend selbst nationalsozialistisch organisierten Eltern oder eher ein Umschmeicheln der Jugend?

Die NS-Zeitung "Der Führer" warb am 17. Juni 1933 nochmals für das abendliche Spektakel. Die angekündigte zeitversetzte Rundfunkübertragung kam nicht zustande. Vermutlich machte das Wetter den dafür notwendigen technischen Voraussetzungen einen Strich durch die Planung.

Auf der östlichen Seite des Karl-Friedrich-Denkmals - das seinerzeit mitten auf dem Schlossplatz stand - war der Scheiterhaufen aus Holzstößen schon zuvor aufgebaut worden. Um halb neun Uhr abends, und damit wegen des schlechten Wetters ca. eine halbe Stunde später als geplant, marschierten HJ und Bund Deutscher Mädel (BDM) in typischer NS-Inszenierung "von allen Seiten" mit Trommeln an. Anschließend nahmen Fahnenträger rechts und links des Feuers Aufstellung, das durch die Feuerwehr entflammt worden war.

Schauplatz der Bücherverbrennung auf dem Karlsruher Schlossplatz am 17. Juni 1933, Foto um 1890 mit eingezeichneter Markierung

Wegen des Regens musste es durch ständiges Petroleumnachgießen unterhalten werden. Nachdem ein HJ-Spielmannszug das martialische NS-Lied "Volk ans Gewehr" intoniert hatte, begann die "Feier" mit einer Rede von Kultusminister Otto Wacker. Dann warfen zehn Hitlerjungen jeweils Bücher in das Feuer unter dem Rufen der Feuersprüche, wie sie bei der studentischen Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 in Berlin benutzt worden waren. Ein Sprechchor leitete über zur Ansprache des HJ-Führers Kemper, der die Veranstaltung dann mit einem Siegheil auf Reichskanzler Adolf Hitler und Reichspräsident Paul von Hindenburg, dem Deutschland-Lied und dem Horst-Wessel-Lied beendete. Die Feuerwehr löschte das Feuer anschließend.

Bilder von der Verbrennung liegen ebenso wenig vor wie von der Zuschauermenge. Diese blieb offensichtlich hinter den Erwartungen zurück, nirgends wurde entgegen sonstiger Gewohnheit die Teilnehmerzahl vermerkt.

Ehrung der "Heimatdichtung und -kunst"

Am Montag den 26. Juni 1933 rief HJ-Führer Friedhelm Kemper über eine Rundfunkansprache die zweite Woche der Kampagne aus, die landesweit bis zum 1. Juli dauern sollte. Diese stand unter der Parole "Ehrung der Heimatdichter, -sänger und -musiker". Der "marxistisch-liberalistischen Schmutz- und Schundliteratur" sollte damit die "erhabene Deutsche Art und Kunst" entgegen gestellt werden.

Dazu führte die HJ in Karlsruhe am folgenden Dienstag in den Räumen der Hochschule für Musik in der Kriegsstraße 166/168 einen so genannten Heimatabend für die Heimatdichter und Künstler durch. In keiner Zeitung wurde etwas zum Verlauf berichtet. Höhepunkt in Karlsruhe war eine abermals dramatisch inszenierte Veranstaltung. Diesmal im Saal in der Festhalle (heute Standort der Schwarzwaldhalle) am Donnerstag den 29. Juni mit angeblich 3.000 Teilnehmenden. Tatsächlich wurde wie am 17. Juni auch diesmal die aufmarschierte Jugend als Staffage benutzt für die nationalsozialistisch choreografierte Veranstaltung.

Die von Josef Durm errichtete Festhalle wurde 1877 eingeweiht und hatte lange den größten Saal in der Stadt, um 1885

Diese rahmten die Redner des Abends ein: der zum Vorbild erhobene Karlsruher Heimatdichter Heinrich Vierordt (1855-1945), Professor Franz Philipp (1890-1972) von der Staatlichen Musikhochschule und Professor Hans Adolf Bühler (1877-1951) von der Badischen Kunstschule. Wie die Karlsruher Zeitung erwähnte, waren neben anderen als Gäste an diesem Abend anwesend der Bildhauer Hermann Volz (1847-1941), der Maler August Rumm (1888-1950), die Komponistin Clara Faisst (1872-1948), der Journalist und Schriftsteller Karl Joho (Pseudonym Quintus Federlein, 1875-1944), außerdem der Maler Hermann Junker (1881-?).

Veranstaltung in der Festhalle während der NS-Zeit, 11. Badisches Bundessängerfest im Oktober 1935

Landesjugendführer Kemper wies zum Abschluss die künftige Richtung der Kultur in Deutschland, die nach Ausmerzen alles "Falschen und Hässlichen", die wahre "deutsche Dichtung, deutsche Lieder, deutsche Kunst" repräsentieren sollte.

Kemper trat in der so genannten zweiten kulturellen Kampfwoche in insgesamt sechs badischen Städten auf, darunter auch dort, wo zuvor in der so genannten ersten kulturellen Kampfwoche keine Bücherverbrennung stattgefunden hatte.

 

Das literarische Leben in Deutschland nach der Bücherverbrennung

Die nationalsozialistische Bücherbrennung und anschließende Verfemung jedweder missliebiger Literatur zusammen mit der Ausgrenzung so genannter "entarteter Kunst" zerstörte das pluralistische Kulturleben in Deutschland.

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Die Karlsruher Presse und die Bücherverbrennung

Keine der im Juni 1933 noch erscheinenden Zeitungen berichtete kritisch über den Inhalt und den Ablauf der Bücherverbrennung am 17. Juni. Die NS-Zeitung "Der Führer" (18. Juni 1933) propagierte sie sowieso als Erfolg und stellte die "bedingungslose Treue" und "Zähigkeit" einer neuen "kernigen Jugend" vor.

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Kaiserstraße Juni 1933: Hitlerjungen sammeln Bücher für die Verbrennung ein, Foto aus: "Der Führer" vom 15.6.1933

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